Autor
Veröffentlicht am
18. August 2025
Bewertungen

Neue Anforderungen durch den Referentenentwurf zur Änderung der EStDV

Einleitung

Der am 6. August 2025 veröffentlichte Referentenentwurf zur Siebten Verordnung zur Änderung steuerlicher Verordnungen bringt wesentliche Neuerungen für die Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) mit sich. Besonders relevant für angehende und tätige Immobiliensachverständige sind die Änderungen in § 9b und § 11c EStDV.

Sie betreffen zentrale Aspekte der Immobilienbewertung: die Aufteilung des Gesamtkaufpreises sowie den Nachweis einer kürzeren tatsächlichen Nutzungsdauer.
Diese Änderungen sind nicht nur juristische Formalien – sie werden die Praxis der Immobilienbewertung nachhaltig verändern.

 


Rechtlicher Hintergrund

Die EStDV ergänzt das Einkommensteuergesetz (EStG) durch detaillierte Ausführungsbestimmungen und sichert damit einheitliche Standards in der steuerlichen Praxis.
Mit dem aktuellen Referentenentwurf verfolgt der Gesetzgeber das Ziel, bestehende Regelungslücken zu schließen, Rechtsklarheit zu schaffen und die bisher teils uneinheitliche Handhabung in der Bewertungspraxis zu harmonisieren. Für Immobiliensachverständige bedeutet das: verbindlichere Bewertungsverfahren, höhere Qualifikationsanforderungen – und zugleich eine klare Orientierung, welche Standards künftig gelten.

Änderungen in § 9b EStDV-E – Aufteilung des Gesamtkaufpreises

Der neue § 9b regelt verbindlich, wie der Gesamtkaufpreis für ein bebautes Grundstück aufzuteilen ist:

  • Maßstab ist das Verhältnis der Verkehrswerte von Grund und Boden sowie des Gebäudes zum Zeitpunkt des Erwerbs.
  • Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) wird eine Arbeitshilfe zur Aufteilung bereitstellen, die als Standardverfahren anzuwenden ist.
  • Abweichungen sind nur zulässig, wenn eine qualifizierte Schätzung – etwa durch ein Gutachten eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen – vorliegt.

Was heißt dies nun konkret:

In § 9b EStDV-E soll die Vorgehensweise bei der Aufteilung eines Gesamtkaufpreises für bebaute Grundstücke normiert werden. Dies bedeutet, dass eine gesonderte Ermittlung der Verkehrswerte für Boden und Gebäude erfolgen soll, um sodann die Anschaffungskosten aufzuteilen. Der Kaufpreis soll dann nach dem Verhältnis der beiden Wertanteile aufgeteilt werden. 

Weiterhin sollen für die Ermittlung der Verkehrswerte die ImowertV (Immobilienwertermittlungsverordnung) und die dort beschriebenen Wertermittlungsverfahren ausschlaggebend sein.  Zur Aufteilung des Kaufpreises wird das Bundesfinanzministerium eine Arbeitshilfe veröffentlichen und darin die Richtlinien für die Aufteilung festlegen. Ist der Eigentümer einer Immobilie mit der Aufteilung des Kaufpreises (Boden / Gebäude) durch das Finanzamt nicht einverstanden, so kann er einen öffentlich bestellten Gutachter (§§ 36, 36a GewO) beauftragen, aufgrund der ImowerV sowie der Arbeitshilfe ein qualifiziertes Gutachten zu erstellen. Mit dem Gutachten kann der Eigentümer dann die Einschätzung des Finanzamts widerlegen. 

In einem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH-Urteil vom 21.07.2020, IX R 26/19) vom 21.07.2020 wurden Leitsätze verfasst wie bei streitigen  Grundstücksbewertungen zu verfahren ist. 

Die Leitsätze der Entscheidung lauten:

  1. Das FG darf eine vertragliche Kaufpreisaufteilung auf Grund und Gebäude, die die realen Wertverhältnisse in grundsätzlicher Weise verfehlt und wirtschaftlich nicht haltbar erscheint, nicht durch die unter Verwendung der Arbeitshilfe des BMF ermittelte Aufteilung ersetzen.
  2. Die Arbeitshilfe gewährleistet die von der Rechtsprechung geforderte Aufteilung nach den realen Verkehrswerten von Grund und Gebäude im Hinblick auf die Verengung der zur Verfügung stehenden Bewertungsverfahren auf das (vereinfachte) Sachwertverfahren und die Nichtberücksichtigung eines sog. Orts- oder Regionalisierungsfaktors bei der Ermittlung des Gebäudewerts nicht.
  3. Im Fall einer streitigen Grundstücksbewertung ist das FG in der Regel gehalten, gemäß § 81 Abs. 1 FGO das Gutachten eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen für die Bewertung von Grundstücken einzuholen, wenn es nicht ausnahmsweise selbst über die nötige Sachkunde verfügt und diese in den Entscheidungsgründen darlegt.

Sobald der Referentenentwurf angenommen wird, wird bei allen vertraglichen Grundstückserwerben diese Regelung gelten. Die bisher übliche Aufteilung im Kaufvertrag zwischen dem Wert des Grundstücks und des Gebäudes, ist damit nicht mehr von Bedeutung.  (§ 9b EStDV-E).

 

Änderungen in § 11c EStDV-E – Nachweis einer kürzeren Nutzungsdauer

Noch deutlicher ist die Aufwertung der Sachverständigenleistung in § 11c wenn es um den Nachweis einer kürzeren Nutzungsdauer eines Gebäudes und damit um die Rechtfertigung einer höheren Abschreibung geht. Die gesetzlichen Änderungen sehen vor:

  • Künftig ist der Nachweis einer kürzeren tatsächlichen Nutzungsdauer (§ 7 Abs. 4 Satz 2 EStG) nur noch durch ein Gutachten vor Ort möglich.
  • Dieses Gutachten muss von einem öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen nach § 36 GewO erstellt werden.
  • Die Regelung tritt ab dem Veranlagungszeitraum 2025 in Kraft.

Für Immobilienbesitzer ist diese Möglichkeit steuerlich hochrelevant, da eine kürzere Nutzungsdauer zu höheren jährlichen Abschreibungen führen kann.

 

Auswirkungen auf angehende Immobiliensachverständige

Der Referentenentwurf, sofern er angenommen wird, bringt zwei zentrale Entwicklungen:

  1. Steigende Nachfrage nach qualifizierten Gutachten:
    Auftraggeber werden häufiger spezialisierte Sachverständige beauftragen müssen, um steuerlich wirksame Bewertungen zu erhalten. Die Gutachter müssen die Bewertungsrichtlinien sowie die Arbeitshilfe kennen und anwenden können.
  2. Höhere formale Hürden:
    Ohne öffentliche Bestellung und Vereidigung des Gutachters, sind bestimmte Arten von Gutachten nicht mehr beim Finanzamt anerkannt.
  3. Zertifizierte Sachverständige werden nicht mehr zugelassen:
    Gutachten, die zur Vorlage bei Finanzämtern in Auftrag gegeben werden und zum Beispiel den Nachweis einer kürzeren Nutzungsdauer zum Ziel haben, würden – sofern der Referentenentwurf angenommen wird – in Zukunft nicht mehr durch zertifizierte Sachverständige (gem. ISO/IEC 17024) durchgeführt werden können. Für Sachverständige, die aufgrund Ihrer Zertifizierung gem. ISO/IEC 17024 ermächtigt waren Bewertungen gem. §198 BewG durchzuführen, schließt sich nun dieser Tätigkeitsbereich. Zertifizierte Sachverständige können – sofern der Entwurf angenommen wird – danach nur noch in den herkömmlichen Bereichen Immobilienbewertungen vornehmen.

Fazit:

Nachdem in den letzten Jahre in mehreren Gesetzen immer wieder auf die Gleichstellung der öffentlich bestellten Sachverständigen und der zertifizierten Sachverständigen hingewiesen wurde, scheint man nun zur alten Regelung zurückzukehren, so dass nur noch öffentlich bestellte Sachverständige für diese Arten der Bewertung zugelassen werden.
Der Bundesverband Deutscher Sachverständiger und Fachgutachter BDSF e.V. hegt große Zweifel daran, ob diese neuen Regelungen nicht in Konflikt mit Gesetzen zum einen aber auch höchstrichterlicher Rechtsprechung stehen.

Für den zertifizierten Sachverständigen (gem. ISO/IEC 17024) stellt die neue Regelung einen nicht unerheblichen Eingriff in die Berufsausübung dar und damit einen möglichen Verstoß gegen Art. 12 Grundgesetz. Auch unter europarechtlichen Aspekten ist die neue Regelung fragwürdig.

Die Beschränkung auf die öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen wird dazu führen, dass hier ein Status-Monopol geschaffen wird, welches ausschließlich auf dem „good-will“ der Kammerorganisationen fußt. Zudem muss befürchtet werden, dass es zu einer Überlastung und langen Wartezeiten kommen wird, wenn eine hohe Zahl von qualifizierten Sachverständigen von diesen Bewertungen per se ausgeschlossen werden.

Sollte der Referentenentwurf angenommen werden, wird es sicherlich zu mehreren Klagen kommen, die dann die Gerichte über die nächsten Jahre beschäftigen werden. 
Obwohl Qualität, Nachvollziehbarkeit und Regelungen für gewisse Arten von Gutachten sicherlich wertvoll sind, ist die Umsetzung der Regelung durch den Ausschluss vieler qualifizierter Gutachter nach unserer Ansicht ein Schritt in die falsche Richtung.

Die in den nächsten Jahren folgenden Gerichtsentscheidungen werden zeigen, wohin der Weg geht und ob das „Status-Monopol“ der öffentlich-bestellten Sachverständigen, die es ausschließlich in Deutschland gibt, tatsächlich Bestand haben wird.

 

Literaturhinweise zum Referentenentwurf einer Siebten Verordnung zur Änderung steuerlicher Verordnungen vom 05.08.2025

  

 

Rate This Post